Montag, 18. Januar 2010

Mailand Review

Draußen Nebel in Malpensa, Flug verspätet - aber Internet in der LH-Lounge. Zeit also, einen Überblick über die kommende Saison zu geben. In der Hoffnung, dass sich die Berliner Designer ein wenig anstacheln lässen und uns ab Mittwoch nicht enttäuschen.

Das Jahr fängt gut an! Denn die erste Modewoche in 2010, die „Milano Moda Uomo“ startete auf hohem Niveau. Dass ist insofern bemerkenswert, da es auch schon Saisons in ähnlich unsicheren Zeiten gab, in denen Tragbarkeit mit Langeweile übersetzt wurde und man bei der Präsentation des fünften V-Neck-Kaschmirs dann langsam doch an der Kreativität der Designer zweifelte. Doch diesmal legten sich die großen Marken ins Zeug. Nur ein Brand versagte. Der aber richtig.
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Der Reihe nach.
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Die Beste: Prada
Es gibt Momente, da zweifelt man daran, ob Miuccia Prada Menschen mag. Wenn sie etwa Models auf den Laufsteg schickt, deren Schuhe so untragbar sind, dass man in der ersten Reihe Angst hat, plötzlich ein gefallenes Mädchen vor sich liegen zu haben.
Oder aber wenn Miuccia ihre Gäste (u.a. mich am Sonntagabend) vor einer Show erst draußen in der Kälte und dann im Beton-Vorraum mit dem Charme eines Atombunkers warten lässt. Aber all das darf sich Signora Prada leisten. Wir verzeihen ihr. Denn auch in dieser Saison zeigte sie wieder einmal die beste Kollektion in Mailand. Adrett sahen die Jungs aus. Die Kombination aus schmalen Anzug, kurzem Pulli und klassischem Hemd wirkte selbstverständlich und modern. Ovationen gab es daher ohnehin. Und jenen Kollegen die flüsterten „zu kommerziell“, sei gesagt: Mode muss verkauft werden. Wäre Miuccia Prada daran nicht interessiert, wäre sie Künstlerin geworden– und keine Designerin. Und ganz so kalt scheint Miuccia dann doch nicht zu sein. In bunten Lettern tauchte in der High-Tech-Installation der Begriff „Welcome“ auf. In Großbuchstaben. Das gab’s noch nie.

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Die Überraschung: Pringle
Die Abende sind in Mailand für einige länger. Der Rotwein schmeckt einfach zu gut. Und die Pasta muss auch verdaut werden. Warum also sollte man sich zu früh aus dem Bett quälen, um seinem Beruf nachzugehen? Gut, bei Bottega pilgern auch um 9 Uhr alle in einen Außenbezirk. Aber bei Pringle of Scotland drehen sich so manche Modechefs lieber noch mal im Bettchen um. Ein großer Fehler. Denn Pringle – in Anwesenheit von Tilda Swinton – überzeugte und überraschte komplett. Perfekt geschnittene Anzüge, hervorragende Knitwear. Tolle Farbzusammenstellungen. So kann die Marke, die einst das Twinset erfunden hat, zum Prada 2.0 werden.

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Die Heimkehrer: Dolce & Gabbana
Bei Schnittchen hört der Spaß auf – auch wenn niemand TFFF (too fat for fashion) sein möchte. Da die Fashion-People während eines Schauentages aber ohnehin kaum etwas zu essen bekommen, stürzen sich alle auf angebotene Häppchen bei Showroom-Terminen oder Präsentationen. Außerdem plant man den Tag nach ganz praktischen Bedürfnissen. Die saubersten Toiletten gibt es bei Armani. Gegenüber von Gucci kann man das beste Eis kaufen. Tod’s hat das beste Büffet. Bei Prada gibt es eine Campari-Bar, etc. Die Überraschung war insofern groß, dass es plötzlich auch bei Domenico und Stefano Parmesan-Würfel und Salami-Happen gab. Als alle gesättigt auf ihren Plätzen saßen, konnte man bei Dolce die Rückkehr zu den eigenen sizilianischen Wurzeln erkennen und schöne, maskuline Männer bewundern. Eine angenehme Mode nach vielen Jahren der verrückten Spielereien.

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Die Zukunft: Burberry
Ok, ich bin parteiisch. Daher nur kurz: Brit-Chic vom Feinsten. Emma Watson’s Bruder ist sweet und ich habe nun die Email-Adresse von „One Night Only“ Sänger George Craig. Mehr geht nicht.

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Der Abschied? Jil Sander
„Hoffentlich ist es nicht seine letzte Show“ flüsterte ein Kollege während der Show von Raf Simons Jil Sander Kollektion. In der Tag winkte (ein Zeichen?!) der gar nicht so scheue Belgier zum Finale. Vielleicht freute er sich aber auch nur über den Applaus für seine sehr kraftvolle Mode. Besonders toll: die Anzüge mit subtilem Karomuster.

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Die Luxus-Assis: Bottegas Jogginghosen
Die ultimativer Dekadenz wurde bei Bottega Veneta gezeigt: eine Jogginghose aus Baumwolle. Gibt’s auch von Esprit. Okay, vielleicht nicht in Grün. Noch steht der Preis nicht fest. Schätze aber so knapp 600 Euro werden die Dinger schon kosten. Schließlich hat der Zipper ein Flechtmuster-Print... Zusammen mit den Kaschmir-Unterhemden von Dolce und Ferragamos langen Mänteln könnte man eine sehr schöne Hartz-IV -deluxe-Strecke produzieren.

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Die Abbitte: Etro
Ich bin kein soooo großer Fan von Etro für Männer gewesen. Zu bunt, zu wild und meistens kauften auch die falschen Typen die Paisley-Shirts. Doch seit heute bin ich ein Freund der Marke. Ich mochte die schmalen Hosen, taillierten Sakkos und lässigen Pullis. Märchenhaft inszeniert mit einem energischen Soundtrack. So werde ich doch noch Kunde im neuen Etro-Store in Hamburg, um mir diesen Leder-Parka zu kaufen...

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Und dann gab es da noch den Über-Flop.
Sprachlos vor Entsetzen waren alle – bis auf zwei Ausnahmen – bei der Präsentation von Gianfranco Ferré. Lange Mäntel, die auch ein Herr in der dunklen Zeit unserer Vergangenheit trug, sind schon eine Zumutung. Warum man aber einen Fell (vorne)-Nylon (hinten)-Mantel tragen sollte, der sehr nach Omas alter Steppdecke aussah, auf dem eine tote Katze liegt? Mmmmh. Wie brachte es ein angesehener Fashion Director aus München auf den Punkt? „Es war einfach nicht schön…!“

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