Der letzte Tag der Modewoche in Paris hat immer ein bißchen etwas vom letzten Tag vor den großen Ferien. Alle sind irgendwie gut gelaunt, alle ziehen sich besonders hübsch an (naja, zumindest versuchen es alle) und alle wünschen sich zum Schluss eine gute Heimreise und erzählen, was sie jetzt noch so vor haben. Dass die Modewoche mit zwei wunderbaren Schauen endet, ist natürlich herrlich. Vuitton war sehr hübsch, was natürlich immer ein Spektakel ist. Diesmal war Scarlett Johansson da, die sehr hässlich aussieht und neben Herrn Arnault, dem Chef des Janzen, und dessen Sohn saß. Auch unglaublich zu wissen, dass man irgendwann alles mal erbt. Dior, Fendi, Vuitton - alles gehört dem Papa. Mit ER, großartige Kollegin (was ich jetzt nicht schreibe, weil sie seit heute mein Blog liest, sondern weil es stimmt. Außerdem ist sie bei Style.com von "The Sartorialist" fotografiert wurden, was sie sehr adelt. PG, die aus dem Flugzeug, zwar auch. Aber das muss ein Versehen gewesen sein, Nylons in geschnüren High Heels. Mon Dieu!), mit ER jedenfalls festgestellt, dass Arnault auch alt wird, was dadurch auffällt, dass er krauses Haar bekommt. Frau Arnault hat dagegen, wie bereits bei Dior Homme bemerkt, ein neues Gesicht. Es steht ihr hervorragend.
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"Vom Gebiss her müsste das XXX sein."
ER beim Einschätzen einer Prominenten.
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Marc dagegen nimmt immer mehr ab, was hoffentlich an den Diätpillen und nicht an etwas anderem liegt.
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Miu Miu war dann ein "great finish, non?", wie Carine zu mir nach der Show sagte. Was für mich natürlich der eigentliche Höhepunkt war. Sie trug eine Art Seidenumhang und hatte beide Hände schützend vor die Brust gelegt. Stylishes Frösteln sozusagen. Toll!
Die Kollektion war wunderbar, darüber muss ich aber noch für eine große Sonntagszeitung nächste Woche schreiben, daher erspare ich mir das hier. Nur so viel: Beseelt lief ich danach die Avenue Foch entlang und weiß nun, dass all der Ärger, all der Stress, all das eben, was vielleicht bald auf mich zukommen wird, okay ist, solange es solche Designer gibt.
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Ob die reichen Herren der Avenue Foch allerdings wissen, dass sich ihre Dogwalker einfach alle auf einer Bank treffen und die Hunde nicht Gassi führen, dass weiß ich nicht. Hat mich dann aber fast schon mehr beschäftigt als der goldene Gaze-Rock von Miu Miu. Denn: Morgen endlich gehts zurück zur Kleinfamilie. Und die bleibt immer en vogue.
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"Beseelt von Mode? - Ich bin beseelt davon, dass Du morgen wieder bei mir bist."
SMS von H., Mann, über die wahren Prioritäten im Leben.
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Adieu Paris. Schön wars wieder. Besonders schön sogar.
monsieurluft - 4. Mär, 21:56
Es gibt Momente, da möchte ich immer nur die Knarre rausholen und einfach um mich schießen. Dass dieses Blutbad ausgerechnet bei Ladurée stattfinden würde – nun, dass war mir bis vor wenigen Minuten auch nicht klar. Wie immer am letzten Tag in Paris stellte ich mich nach der Vuitton-Show geduldig in die lange Schlange in der Rue Royal, um leckere Makarons zu kaufen. Man wartet dann manchmal eine halbe Stunde, weil die Japaner offenbar nach Farben aussuchen, Italiener sich jeden Geschmack einzeln erklären lassen und die feinen Pariser mit Hüten und Pelzen eben auch ein wenig kritischer sind. Neben mir stand ein junger Mann, vielleicht Siebzehn, Achtzehn. Er sah aus, wie jemand aus der Vorstadt, der sich sonntags schick anzieht und mit seiner Freundin im Vorstadtzug in die City fährt. Sein Hemd war gut gebügelt, aber mit ausgefranstem Kragen. Das Sakko an den Ärmeln ein wenig ausgeblichen. Und eigentlich hasse ich mich schon wieder dafür, Menschen anhand ihrer Kleidung zu beurteilen.
Dieser junge Mann jedenfalls bestellte bei der Dame hinterm Tresen zwei Crossaint und zwei Makarons (die ungefähr die Größe eines 2 Euro Stücks haben). „8 Euro“, verlangte sie dafür und ich sah, wie der Junge ein bisschen zusammen zuckte und sein Kleingeld in der Hand zählte. „Sind Sie sicher, dass es so teuer ist?“, fragte er schüchtern. Die Verkäuferin antwortete daraufhin: „Monsieur, willkommen bei Laduree, dass kann sich eben nicht jeder leisten!“ Worauf alle Verkäufer anfingen zu lachen, dieses gackernde-verächtliche Lachen, das man kennt, wenn man als Schüler irgendetwas falsch gemacht hat. Der Junge wurde knallrot wie das Framboise-Makarons in meinem Karton. Vor allem stand hinter dem Tresen ja nicht Familie Laduree, die sich so was sicher auch nicht erlaubt hätte, weil sie erstens schon tot ist und 1862 (laut grüner Papiertüte das Gründungsjahr) jeden Kunden geachtet hat, sondern Mädchen aus der Vorstadt, die ebenfalls sonntags lieber mit ihrem Freund im Vorstadtzug in die Stadt fahren würden.
Das war der Moment an dem ich die Knarre zücken wollte und das Personal am liebsten umgebracht hätte. Aus einem Instinkt heraus, habe ich ihm die zwei fehlenden Euro gegeben, was uns beiden unangenehm war. Aber irgendwie musste ich das tun. Erderwärmung und Armut in Indien lassen mich kalt. Aber solche Situationen machen mich fertig.
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Kurz darauf sah ich den Jungen vor dem Olympia um die Ecke, wo offenbar gleich eine Nachmittagsvorstellung begann. Ein Mädchen stand neben ihm. Gemeinsam teilten sie sich ihr Buttercroissant von Laduree.
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Warum kommt mir das Leben in Paris immer wie ein völlig verkitschter Liebesfilm vor?
monsieurluft - 4. Mär, 17:18
Wie ich schon mehrmals anmerkte, gehört das „Costes“ in Paris zu einem meiner liebsten Orte auf der Welt. Nun werden einige, die das Hotel kennen, sicher denken: „Na typisch. Was soll ein Modefuzzi auch anderes sagen. Er entspricht ja wirklich jedem Klischee!“ Andere aber, die ganz weit vorne zu sein glauben, werden kritisieren: „Das Costes? Mein Gott, das ist doch so was von out!“ Mir ist das alles egal.
Ich liebe das Costes. Sicher: Die Zimmer sind zwar zu klein und zu dunkel (Ich hatte im vergangenen Jahr das Vergnügen, dort zu wohnen, und wurde schlagartig depressiv). Auf der Speisekarte steht seit Jahren das gleiche Essen (was deshalb egal ist, da ich sowieso immer das Gleiche hier esse. Wie übrigens alle meine Freunde, die das Costes genauso mögen). Es ist alles viel zu teuer (Gott, ja. So ist das eben). Und es herrscht eine strenge Style-Diktatur (Beispielsweise darf man niemals einen Tisch während der Modewoche telefonisch reservieren, da dann ohnehin angeblich alles ausgebucht ist. Besser man geht persönlich vorbei, lässt das Abscannen des Personals über sich ergehen und bedankt sich freundlich, wenn jemand anderes von der Reservierungsliste gestrichen wird und man einen Tisch bekommt.) All das stört mich überhaupt nicht. Es gehört dazu. Für mich ist das Costes jedenfalls ein Ort der Zuflucht. Hier fühle ich mich wohl und sicher. Es ist ein Konzentrat von schönen Momenten. Hier habe ich vor Jahren einen ganzen Nachmittag lang bei Kartoffelpüree (dem besten der Welt) und Champagner im Innenhof verbracht und so meine beste Freundin Y. gefunden. Hier war ich mit H. und habe mich so ihn verliebt, dass aus einer Affäre mein Mann wurde. Hier war ich schon mit meiner Mutter, die ganz aufgeregt und stolz war, mit ihrem Sohn in Paris shoppen zu gehen. Hier fiel ich bereits zweimal in Ohmmacht, saß neben Kylie, habe mich am Telefon gestritten wie noch nie zuvor, versöhnt, gelacht, ja sogar getanzt – ich habe im Costes also alles erlebt, was ein Leben so bietet. Nur eben komprimiert. Das verbindet.
Vor allem aber ist es der Geruch, der in jedem Raum (sogar auf dem Klo) zu riechen ist, der mich jedes Mal in eine wunderbare Stimmung versetzt. Warm, aber holzig. Überall stehen die dunkelroten Duftkerzen herum und wenn H., Mann, und ich diese bei uns zu Hause anzünden, denken wir jedes mal: „Ach, das Costes. Wie schön das da ist!“
Und bei jedem Besuch kommen neue Momente dazu. Gestern war ich mit M., Kollegin, nachmittags auch wieder da. Wenn ich in Paris bin, gehe ich nicht nur gerne alleine hierher (was ich normalerweise hasse, alleine irgendwo zu sitzen), sondern auch mit Geschäftspartnern. Was sich einerseits bei Modemenschen gut macht, andererseits aber in meinem Fall einen ganz anderen Grund hat. Da ich vor jedem Interview glaube, meinen Gesprächspartner dermaßen zu langweilen, soll er es wenigstens nett haben und zur Not kann man sich über die vielen Gäste unterhalten. Deren gemeinsamen Nenner zu beschreiben, ist schwierig. Von coolen Jungs, sexy Frauen, bis zu gelifteten Frauen läuft hier eigentlich jeder herum. Eine Ansammlung von Persönlichkeiten würde ich sagen. Die auf ihre Art das Leben genießen. Selbst Kinder sind hier so, wie ich sie mir vorstelle. Wohl erzogen, gut gekleidet und brav auf dem Samtstuhl sitzend mit einem Teddybär spielend und die Frage „Darf ich?“ für eine Grundpflicht haltend. In jedem Fall vergas ich gestern dort meinen Schal (Und M. ihre neuen Marc Jacobs Schuhe. Aber die brachte ihr die Kellnerin zur Tür). Meinen Schal, eine Art Palästinensertuch von Balanciaga Men, allerdings nicht. Ich war mir also sicher, dass dieser von jemandem mitgenommen werde würde. Balanciaga lässt sich ja niemand entgehen. Doch als ich heute Morgen nachfragte, war der Schal wirklich noch da. Ich sag’s ja: Im Costes ist die Welt in Ordnung.
monsieurluft - 4. Mär, 12:11